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„Den Menschen wieder ins Zentrum stellen“

Im Gespräch mit Prof. Dr. Petra Nieken

Welche Rolle der Mensch im Wandel der Arbeitswelt spielt und worauf es beim HR-Management ankommt, erläutert Prof. Dr. Petra Nieken, Inhaberin des Lehrstuhls für Human Resource Management am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Welchen Stellenwert hat der Mensch in der heutigen Arbeits- und Unternehmenswelt, inwiefern hat sich die Rolle der Belegschaft in letzter Zeit gewandelt?

Der Mensch ist nach wie vor die zentrale Kraft in der Arbeitswelt. Die Menschen haben die kreativen Ideen und treiben die Innovationen. Wir sehen gerade in der Industrie einen Wandel, der von der vollautomatisierten, weitgehend menschlosen Industrie-4.0-Produktion weggeht und den Menschen wieder ins Zentrum der Betrachtungen stellt. Es ist das Industrie-5.0-Prinzip, nach dem sich die Technologie an die Bedürfnisse der Menschen adaptiert. Ziel ist eine effiziente Interaktion zwischen Mensch und Maschine, und zwar in einer integrierten Art und Weise der Zusammenarbeit. Die Pandemie, der Wechsel ins Homeoffice und der Personalmangel haben diese Entwicklung stark beschleunigt. Momentan befinden wir uns in einer Phase der Austarierung, wie und wo wir unsere Arbeit in Zukunft verrichten: Wir haben gesehen, dass remote Arbeiten sogar besser als erwartet funktioniert, doch wir brauchen ebenso den informellen Austausch in der Arbeitswelt, also das Gespräch beim Kaffee oder das Treffen auf dem Flur. Wir sind nun mal soziale Wesen.

Wie könnte die Zukunft des Arbeitens aussehen?

Die künftige Arbeitswelt wird dem hybriden Modell folgen, nach dem die Mitarbeiter:innen einige Tage pro Woche im Homeoffice verbringen und die übrige Arbeitszeit im Unternehmen absolvieren. Angesichts des Arbeitskräftemangels kann sich die Belegschaft dabei zunehmend aussuchen, welche Optionen ihr wichtig sind, und die Arbeitgeber sind durchaus bereit, sich darauf einzustellen. Die Belegschaft wird gleichzeitig diverser und internationaler werden, und all diese Menschen wollen am Arbeitsplatz gesehen und gehört werden. Wir nutzen bereits jetzt täglich verschiedene digitale Kommunikationsformen und müssen uns Gedanken über künftige Zusammenarbeitsmodelle machen, die den sozialen Faktor integrieren. Die Technik wird viel, aber nicht alles übernehmen. Gleichzeitig gilt, dass Arbeitsplätze sich wandeln werden, so wie sie es schon immer getan haben. Das sollten wir als Chance sehen. Wir sollten die Technik als Helferin begreifen, die beispielsweise Routineaufgaben übernimmt. Die Belegschaft hat dadurch mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben und kann sich viel intensiver mit den kreativen und sozialen Komponenten der Arbeit beschäftigen.

Wie sollte das HR Management heute und morgen idealerweise gestaltet sein, worauf kommt es an?

Wir stehen aktuell vor dem Problem, dass es zu viel Arbeit für zu wenig Beschäftigte gibt. Das HR-Management muss sich in eine People-Relations-Funktion verwandeln und den Führungskräften und Mitarbeitenden als Coach zur Seite stehen. Viele Prozesse aus der rein administrativen Rolle, wie Personalabrechnungen oder Stellenanzeigen, sind bereits oder lassen sich gut digitalisieren und automatisieren. Damit wird Zeit frei für die strategische Arbeit und den Fokus, das Unternehmen zu einem tollen und nachgefragten Arbeitsplatz zu machen. Die Belegschaft wird diverser werden und es gilt, viele verschiedene Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Die Beschäftigten müssen dabei begleitet werden, sich in der zukünftigen Arbeitswelt zu Hause zu fühlen und die Herausforderungen anzugehen. Ein guter Ansatz ist es da, die Mitarbeitenden ganz individuell anzusprechen und beispielsweise maßgeschneiderte Weiterbildungsoptionen anzubieten. Die Digitalisierung gibt die nötige Flexibilität dafür. Nicht zuletzt sollte auch die Personalfunktion das Potenzial von KI und Digitalisierung umsichtig nutzen und transparent in ihre Prozesse eingliedern.

Prof. Dr. Petra Nieken ist seit 2014 Inhaberin des Lehrstuhls für Human Resource Management am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Zuvor war sie am Institut für angewandte Mikroökonomik an der Universität Bonn tätig und als Gastforscherin an der volkswirtschaftlichen Fakultät der UC Berkeley aktiv. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Future of Work, digitale Führung, Anreize und Mitarbeitendenmotivation.

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